Gesellenjahre – nahtloser Übergang

Meine Gesellenjahre fingen im Grunde direkt im Anschluss an meine Schneiderlehre, die ich im Frühjahr 2000 beendet hatte, an. Ich freute ich mich sehr einfach noch bis zum Sommer in meinem Ausbildungsbetrieb als Damenschneider-Gesellin arbeiten zu können und auch so mehr Routine beim Nähen zu bekommen. Obwohl natürlich meine Lehrzeit als Damenschneiderin sehr abwechslungsreich war und ich sehr viele einzelne Arbeiten kennenlernen durfte, kam es durchschnittlich nicht so häufig vor, dass man während der Lehre wirklich ein Bekleidungsstück von Anfang (Zuschnitt bis Endfertigung) gearbeitet hat. Lehrlinge haben die Aufgabe Gesellen und Schneiderinnen zuzuarbeiten, bestimmte Arbeitsschritte vorzubereiten oder eben zu übernehmen. Ich habe zum Beispiel sehr häufig die Futterteile für Röcke, Blazer oder Hosen zusammengenäht und zum Einnähen vorbereitet, oder zugeschnittene Teile mit Einlage fixiert, Materialien sortiert, Overlock- Arbeiten durchgeführt, Knopflöcher eingearbeitet, Knöpfe angenäht, oder eben mit mehreren Lehrlingen gemeinsam an einem Projekt gearbeitet etc.

In den Gesellenjahren ist es so, dass man in der Lage ist, immer häufiger ein komplettes Bekleidungsstück vom Zuschnitt des Stoffes, der Einlage und des Futters, über Einlagenfixierung, über Teilarbeiten bis hin zur Endfertigung durchzunähen. Letztendlich ist teilweise die Reihenfolge der Verarbeitung an manchen Stellen vorgegeben, an manchen Stellen nicht, was immer auch einen gewissen Raum zur Kreativität beim Nähen des Bekleidungsstückes lässt.

Gesellenjahre – Üben, üben und nochmals üben

Die Übung während der Gesellenjahre ist die Zeit, wo durch das ständige Nähen das Erlernte vertieft wird, sodass man mit allen Nähschritten immer vertrauter wird und sich immer sicherer wird, was funktioniert und was nicht. Durch das ständige Nähen, gewinnt man auch an Sicherheit im Umgang mit den Maschinen, den Werkzeugen, den verschiedenen Materialien und auch das Erarbeiten neuer Näh-Techniken erfordert bereits Kenntnis der Basis-Nähtechniken.

Oft ist es so, dass die Stoffe und Materialien sich beim Nähen, Bügeln etc. auch anders verhalten und man lernt, damit umzugehen und die Schnitte so genau wie möglich zu verarbeiten, um ein gutes Ergebnis des Schnittes zu erhalten. 

Besonders großen großen Spaß hatte ich immer daran, neue Verarbeitungstechniken oder -möglichkeiten auszudenken und gesamte Nähabläufe zu vereinfachen und auch zu beschreiben. Dazu braucht man natürlich ein gute Vorstellungskraft, ein großes Wissen und Erfahrung beim Nähen von Materialien und Einsatzmöglichkeiten der verschiedenen Hilfsmittel, die man verwendet. 

Neben dem Zuschneiden und Nähen, ist auch das Bügeln und vor allem Zwischenbügeln – auseinanderbügeln von Nahtzugaben oder das Bügeln von Kanten etc. – ein sehr wichtiger Schritt, der zur Verarbeitung von Bekleidung gehört, aber im Bereich der Hobbynäherei kaum Beachtung findet. 

 

Gesellenjahre – Zeit zum Lernen

Grundsätzlich kann ich sagen, dass man in der Gesellenzeit sehr viel schneller und selbstsicherer näht und eigenständig in der Lage ist, Schnitte zuzuschneiden und Arbeitsabfolgen sich selbständig auszudenken und an Nähgeschwindigkeit zu gewinnen. Außerdem bemerkt man auch schon sehr schnell, ob etwas wirklich vom Schnitt her umsetzbar ist oder eben nicht, was natürlich auch in der Zusammenarbeit für die Schnittdirectrice  ein sehr wertvolles Feedback ist. Auf diese Weise lernt man sehr viele unterschiedliche Schnitte kennen und auch lesen und weiß sofort, was das Vorderteil, Rückenteil und beispielsweise der Ärmel ist.

Ich möchte an dieser Stelle allen, die mit dem Nähen anfangen sagen, dass ich natürlich so viel über das Nähen weiß, weil ich schon sehr viel genäht habe. Das heißt aber nicht, dass ich mich nicht auch geärgert habe, wenn etwas nicht auf Anhieb funktioniert hat oder schwierige Arbeitsschritte einfach viel Übung brauchen bis sie gelingen. 

Dass man Fehler macht und sich Anleitungen mehrmals durchliest und vielleicht auch einen Reißverschluss oder einen Schlitz mehrmals machen muss bis man versteht, warum man es so machen muss, gehört zum Lernen dazu. Daher möchte ich dir sagen, dass es ganz normal ist, wenn die Dinge nicht an Anhieb klappen, sonst würde das Lernen nicht „Lernen“ heißen, sondern „Können“. Das heißt das Ausprobieren und sich mit allem vertraut machen, gehört zum Lernen dazu.

Ihr könnt euch nicht vorstellen wie viele Nähleichen in meinen ersten Lehrjahren und auch noch in der Gesellenzeit in meinem Schrank gewohnt haben- sehr sehr viele…ich habe sie einfach entsorgt und habe mir gesagt, ich möchte lieber lernen wie es geht und dabei Spaß haben.

Mein Tipp: Wenn mache Sachen nicht auf Anhieb klappen, dann habe ich immer das Teil weggelegt und mich erst am nächsten Tag mit klarem Kopf der Sache gewidmet und lieber im Moment etwas gemacht, wo ich mich sicher fühlte und was mir leichter gefallen ist, anstatt mir die Zähne an einem Problem auszubeißen.

Warum ich mich für eine Fortbildung entschieden habe, kannst du hier nachlesen. Und hier kannst du lesen wie alles mit dem Nähen anfing.

 

Bildquelle: Canva